Kleinfang

Das passt ja wi d Fuscht uf z Eintä uz Oug uf z Angerä.

Dienstag, 7. April 2009

Die Lücke

Da gibt es eine Lücke. Eine Lücke zwischen dem, was man ist und dem, was man gerne sein möchte. Manchmal fällt man da hinein. Man ist dann ausser sich; Ausserhalb seiner aktuellen, realen und normalerweise akzeptierten Identifikation und auch ausserhalb seiner erwünschten, erträumten, vielleicht zukünftigen, idealen Identifikation. 
Ausser sich. Aus der Fassung. 
Nicht in einem von den eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften gesteckten und von persönlichen Werten gesetzten Rahmen. Man verliert die Form, wird diffus, undifferenziert, ungehalten, ungerecht. Man ist nicht mehr sich selbst. In der Lücke, zwischen Stuhl und Bank. Ausser sich, aus der Fassung.

Und du hast mich aus der Fassung gebracht. Wie ich dich sah, wie du dagestanden hast, vor erwartungsvollen Augen und aufmerksamen Ohren, da fühlte ich diese Spannung. Wie ein unsichtbarer Faden zwischen uns. Ein Draht vielmehr, ein dicker Draht, elektrisch geladen. Und dann setzte der Rhythmus ein. Die ersten Akkorde klangen an und es war wie Seelenmusik; Mein Herzschlag war dein Takt. Die Spannung verstärkte sich und plötzlich durchzuckte es mich wie ein Stromschlag. In meiner kurzen Lähmung erkannte ich dich: Du warst, was ich war und auch, was ich nicht war und sein wollte. Du warst ich in Perfektion. 
Da war die Lücke. Und darin dieses heisse Gefühl. Und dann fingst du an zu singen und du sangst meine Gedanken, meine Gefühle mit deinen Worten; Alles, was ich immer sagen wollte und nie konnte. Es floss gleichsam aus dir heraus, so leicht, so klar, furchtlos. Ich bewunderte dich, ich war dir dankbar. Diese Last, die du von mir nahmst, wie du mich befreitest, mir eine Stimme gabst, mich um meine Mängel ergänztest. Ich fühlte mich verstanden, aufgehoben, eingeordnet, mit Wert und Sinn versehen. Doch dann begann ich zu zweifeln. Sangst du wirklich so leicht, oder einfach nur gleichgültig? Furchtlos oder respektlos? Klar oder herunterspielend? 
Da war sie wieder, diese Lücke und das  heisse, pulsierende Gefühl in ihr flammte von Neuem auf. Wie du da standest und sangst. Es war als flösse Starkstrom durch den Draht zwischen uns... Stromschlag. Du hieltest mein schlagendes Herz in deiner Hand, während du zu seinem Rhythmus weitersangst, meine Gefühle und meine Gedanken mit deinen Worten in dies dunkle Masse von blutgeilen Fremden schleudertest, sie verprasstest, verpufftest, entwertetest. Und dennoch, Bewunderung kam ein zweites Mal in mir auf. Diese Sicherheit, mit der du sangst. Und diese Augen, die dich anschauten, dein Bild aufsogen, diese Ohren, die dir lauschten. Dieser Respekt, diese Verehrung die dir zu Teil wurden. 
Aber wieso du? Du sangst meine Gedanken, meine Gefühle, erzähltest meine Geschichte. Und wie du es tatest; Wie eine Prostituierte führtest du sie vor diese schamlosen Augen und Ohren. Den Lohn behieltest du für dich. Ich war dir egal. Dein Blick verlor sich im Scheinwerferlicht, das die entgegenstrahlte. Du sonntest dich in deinem unverdienten Ruhm. Verblendet.
Die Entzündung in der Lücke schwoll an, wie ein gelber eitriger Abszess. Ich begann, dich zu hassen. Die Befreiung, die ich empfunden hatte schlug um in ein Gefühl der Enteignung. Es war, als hättest du mir die Haut abgezogen, so brannte es mich. Völlig entblösst, ausgestellt, schutzlos fühlte ich mich. In einem plötzlichen Akt meiner Verzweiflung packte ich wutentbrannt den Draht und riss ihn aus meiner Brust. Dieser stechende, schürfende Schmerz. Der Strom versengte meine Hände, die Haut spannte sich um die Brandwunden. Deine Stimme verklang, mit ihr die Musik, der Rhythmus ebbte ab. Du drehtest dich um und gingst von der Bühne. Der Applaus begleitete dich hinaus.
Mein lebloses Herz liesst du auf dem Boden zurück.

Strumming my pain with his fingers
singing my life with his words
killing me cruelly with his song
killing me cruelly with his song
telling my whole life with his words
killing me cruelly with his words
with his song.

Die Eiterbeule in der Lücke platzte und daraus floss zähflüssiger klebriger Neid.

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