Kleinfang

Das passt ja wi d Fuscht uf z Eintä uz Oug uf z Angerä.

Samstag, 18. Oktober 2008

Artikel Nr. 12 - Beziehungsmissklänge


Ich lebte seit ungefähr acht Jahren in einer Beziehung. Wir kannten uns schon von früher. Unsere seltenen Treffen hatte ich damals immer sehr vergnüglich empfunden. Wir begegneten uns später am Gymnasium wider. Da kamen wir auch zusammen. Es funktionierte wunderbar. Wir hatten viel Spass, haben viel unternommen, viele schöne Momente erlebt. Es gab auch kleinere Krisen, die wir aber jedes mal meisterten. Für uns war klar, dass wir nicht aufgeben würden wegen kleinen Problemen. Nach dem Gymnasium lebten wir unsere Beziehung locker weiter. Wir waren zwar offiziell zusammen, aber wir liessen einander genug Freiraum, um die Welt zu erkunden. Eifersucht war nie ein Thema. Dann begann das Studium und wir machten so weiter. Es schien gut zu gehen so. Im Sommer vor einem Jahr beschlossen wir aber in den Ferien, dass es an der Zeit war, näher zusammen zu rücken. Wir wollten eine Beziehung für die Zukunft aufbauen, Werte schaffen, Pläne schmieden und ausführen. Es war eine schöne Zeit voller Aufbruchstimmung, Mut, Leidenschaft, Nähe. Wir planten uns für immer zusammen zu schliessen. Machten dies offiziell im Mai. Es lief alles perfekt, wir passten einfach wie zwei Puzzleteile zusammen, hatten die gleichen Vorstellungen. Doch dann, ich weiss nicht, was mit ihm passiert war. Er fing an dauernd Dinge von mir zu fordern, ich sollte dies und das als seine zukünftige Frau. Ich merkte, wie ich abblockte, ich fing an ihm auszuweichen, verspürte oft Unlust ihm gegenüber. Als er auch noch mit der Idee kam, wir sollten unserer Liebe lebendige Taten folgen lassen und mich auf penetrante Weise dazu zu überreden versuchte, platzte mir der Kragen. Ich merkte, dazu bin ich nicht bereit, das will ich alles gar nicht. Ich will es so einfach, wie es war, als wir die Sache locker führten. Wir haben zusammen diskutiert. Ich sagte ihm, dass ich es unheimlich schade finden würde, wenn das Ganze nun einfach so den Bach runterginge. So viel Zeit und Kraft hatten wir da rein investiert. Er gestand dies auch ein. Mit viel Aufwand hätten wir es wieder hinbiegen können. Doch ich fragte mich, ob es dann wieder so wäre wie vorher. Und da hatte ich grosse Zweifel. Denn wir lebten beide nach dem Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip. Das hätte starke Kämpfe und grosse Kompromisse bedeutet. Nein, ich kam zum Schluss, dass es vermutlich besser wäre, wenn wir einen Schlussstrich ziehen würden. Auch wenn ich mich durchaus noch von ihm angezogen fühle, werde ich in Zukunft auf Distanz gehen. Freundschaft, ja das werde ich immer für ihn empfinden, aber ich bin nicht mehr bereit, von ihm beansprucht zu werden. Vielleicht ist es auch einfach ganz vorbei, wer weiss...? Tja, aber ich bin mir jetzt sicher: für immer passen wir nicht zusammen, ich und er, der Gesang.

Artikel Nr. 11 - Futuristische Seifenoper


Als ich kürzlich in der Juristischen Bibliothek sass und eigentlich lesen wollte, kam mir angesichts des unbekannten Terrains, auf dem ich mich befand, eine langvergessene Frage wieder in den Sinn: Was ist mit der Zukunft? Ich hatte mich das schon lange nicht mehr gefragt und ging ein bisschen auf Forschungstour in meiner Erinnerung. Als Kind stellte ich mir vor, wie wir im Jahr 2000 alle mit Lichtgeschwindigkeit in kleinen Flugmaschinen lautlos herumflögen, oder uns sogar von Ort zu Ort beamen könnten, wie wir Wissen in Pillen schluckten, Roboter unseren Haushalt machten und wie Pickel mit einer Impfung für immer zum Verschwinden gebracht würden. Kurz vor dem Jahrhundertwechsel kam dann der Millenniumhype und wir fürchteten uns, vielleicht weil wir das alles noch nicht erreicht hatten, die Welt könnte (endlich, gäu Uriella) untergehen, wenn wir ins neue Zeitalter übertraten. Vermutlich haben uns aber unsere anderen grossen technischen Errungenschaften wie das Internet oder die mobile Telefonie vor dem Verderben gerettet. Ehrlich gesagt, wir sind doch schon sehr weit gekommen in unserem Forschen und Weiterentwickeln und es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie es weitergehen könnte. Noch besser, schneller, kleiner, leichter? Wird es sogar noch Revolutionen geben? Wie ich mich also unter zukünftigen JuristInnen befand kam mir der Gedanke, dass sich ein Fortschritt in der Art von technischen Neuerungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Kunst oft nicht erkennen lässt. Den unmittelbaren Bezug zur Umwelt und den gewöhnlichen Menschen, der ursprünglich ihr Nährboden war, hat die Kunst schon lange verloren. Ein Kunstwerk hat heute nicht mehr wie zum Beispiel in frühchristlicher Zeit den Zweck, die Heiden zum Christentum zu bekehren, nein, es bezieht sich auf sich selbst, behandelt systemimmanente Probleme, verweist im besten Fall auf andere Kunst.

Wie eine Seifenblase, einmal durch den Ring geblasen, löst sie sich davon ab, schwebt, hält sich selbst und irgendwann...

Denn ist irgendwann nicht alles gesagt, gemalt, gebaut? Was dann? Glücklicherweise ist aber auch die Kunst was ihre Gattungen betrifft mit der Zeit mitgegangen. Die Entwicklungen der Technik macht sie sich zu Nutzen. Eine virtuelle Kunst ist entstanden, eine neue Realität, aus Strom und Zahlen. Die Materialität, unbeirrbare Zeugin der Wirklichkeit und Ursubstanz aller Kunst, ist überflüssig geworden. Ist das Fortschritt? Kommen wir Menschen aus Fleisch und Blut da noch mit? Wird unser Körper einmal hinfällig, der Geist befreit? Sind wir jemals nur noch Gedanke, Zahl, Impuls? Mit dieser Vorstellung spielt Second Life. Von Philip Rosedale Mitte der 90er Jahre entwickelt verbringen gewisse Freaks mittlerweile ihr ganzes reales Leben in dieser virtuellen Welt. Sie verdienen Geld, bauen sich ein Haus, heiraten, haben Kinder und führen ein ganz normales Leben in einer Welt, in der man eigentlich gar nicht leben kann. Sie vergessen plötzlich, dass sie menschliche Bedürfnisse wie Schlaf oder Hunger haben und verenden wie verirrte Wale am Strand; Wenn sie gemerkt haben, dass sie sich nicht mehr im richtigen Element befinden, ist es schon zu spät. Auch die virtuelle Realität scheint mir

wie eine Seifenblase, einmal durch den Ring geblasen, löst sie sich davon ab, schwebt, hält sich selbst und irgendwann...

Das kann also nicht die Zukunft der Menschheit sein, wenn wir den Fortbestand unserer Gattung sichern wollen, auch in Anbetracht der drohenden Umweltverschmutzung. Vielleicht sollten wir es mit etwas anderem versuchen. Wir müssen die Orientierungslosigkeit unserer Generation eindämmen, endlich wieder eine Lebensform finden, die vorbehaltlos funktioniert. Wir sollten uns angemessene Lebensräume schaffen und das in der materiellen Wirklichkeit. Als ich die juristische Bibliothek verliess war ich noch total in Gedanken darüber versunken, wie wir das anstellen müssten. Im Bahnhof wurde mir dann ein Heft in die Hand gedrückt. Nein, diesmal versuchten nicht die Zeugen Jehovas mein Leben zu verändern, sondern die Stadt Bern. "Eröffnung Westside" stand vorne drauf. Yes, das Raumschiff ist gelandet! Tritt ein, hier kannst du dein Leben verbringen. Es gibt hier alles, was man braucht: Läden für Kleider, Lebensmittel, Luxusgüter, Restaurants, Banken, ein Hotel, ein Altersheim, eine Tankstelle, ein Hallenbad, Kinos, und und und. Das muss mein neuer Lebensraum sein! Eine autarke künstliche Biosphäre. Und plötzlich habe ich eine Vision von der Zukunft: die Menschheit versammelt sich im Westside in Bern. Die Triebwerke werden gestartet und das gesamte Einkaufszentrum inklusive landwirtschaftlichen Nutzflächen hebt mit einem lauten Brummen von der Erdoberfläche ab und trägt uns aus der Atmosphäre ins unendliche Universum hinaus. Doch ist das nicht auch irgendwie

wie eine Seifenblase, einmal durch den Ring geblasen, löst sie sich davon ab, schwebt, hält sich selbst und irgendwann...