Kleinfang

Das passt ja wi d Fuscht uf z Eintä uz Oug uf z Angerä.

Freitag, 12. September 2008

Artikel Nr. 10 - Um-ziehn! Aus-ziehn!














Sollte das eine Prüfung sein? Warum muss ich ausgerechnet in der schwungvollsten Phase meines Lebens auch noch von zu Hause ausziehen? Man glaubt kaum, wie hart man auf den Boden der Tatsachen geworfen wird, wenn man es wagt, in seinem Leben eine so radikale Änderung vorzunehmen, wie eben zum Beispiel fortan seinen Alltag alleine zu bewältigen, für das Funktionieren des Haushalts die Verantwortung voll und ganz zu übernehmen. Ich hab damit sowas wie Seelenstriptease vor mir selbst gemacht. Ich habs bis zum Nullpunkt geschafft, bis zu dem Punkt, wo man nichts mehr hat ausser sich selbst und den Moment, in dem man sich gerade befindet, die pure Gegenwart und dies komplett schutzlos. Das heisst, ich war gezwungen zu handeln und wenn ich es nicht getan hätte, dann wäre alles drunter und drüber gegangen. Nun hat mich das Leben zwar wieder in seinen ihm eigenen alltäglichen Sog aufgenommen, aber ich bin immer noch am Handeln, kann nicht zurück, muss. 
Der Schwung in meiner momentanen Lebensphase kommt unter anderem auch von meiner Aufnahme in den Vorkurs an der Jazzschule in Bern zu tun. Darum drehen sich die meisten der letzten Entwicklungen in meinem Leben. Entgegen meiner Erwartung aber, dass ich mich dort so richtig pudelwohl fühlen würde, habe ich mich auch einen Monat nach Beginn noch nicht so richtig eingelebt. Um etwas Klarheit zu schaffen will ich hier eine zum Thema dieses Eintrags passende Metapher einfügen: Ich bin sozusagen aus meiner Eigenbrödler-Egosängerinnen-Höhle umgezogen in das Professionelle-Musiker-Internat. Will heissen, ich muss jetzt so, wie es mir von aussen diktiert wird, genauso wie ich jetzt den Haushalt selbst machen muss, weil es das alltägliche Leben so will. Und genauso wie es im Moment noch hapert mit dem organisierten Haushalt (oder auch dem organisierten Blogeintragschreiben) wo jeder weiss wann und was er zu tun hat, so will es auch noch nicht ganz mit dem Einordnen in diesem musikalischen Trainingslager. 
Und zudem fühlt es sich an wie unfreiwilliger Seelenstriptease, wenn meine neue Gesangslehrerin sich drei Lektionen Zeit nimmt um mich "kennen zu lernen", mich "z gschpürä" und mir dann sagt, was meine Probleme sind. Sie meinte, mein Kopf sei mir im Weg, stehe im Prinzip zwischen Gefühl und Stimme. Ich fühlte mich ertappt, weil mein Kopf durchwegs meine Gefühle behindert. 
Ja, in neuen Situationen lernt man sich selbst wohl am Besten kennen, dann,  wenn andere Leute oder das Leben selbst einem den Spiegel vorhalten. Leider werden beim Auftauchen dieses Phänomens viele Fragen aufgeworfen, die man weder schnell beantworten, noch leicht verdrängen kann. Fragen nach Sinn, Wille, Nutzen und den alltäglichen Träumen. Und danach, ob das alles eine Prüfung ist.