Kleinfang

Das passt ja wi d Fuscht uf z Eintä uz Oug uf z Angerä.

Mittwoch, 26. November 2008

Artikel Nr. 14 - Wow, Aldi Unterschiede zur Migros...!


Ich war heute zum ersten Mal im Aldi. Normalerweise gehe ich immer in die Migros, aber heute wollte ich wegen der Kälte ein bisschen Weg sparen und der Aldi war halt näher. Im Prinzip ist es ja egal, Supermarkt ist gleich Supermarkt, oder? Dass das nicht zwingend der Fall sein muss beweist schon die Tatsache, dass ich überhaupt einen Blogeintrag über Migros und Aldi mache. Denn: Aldi ist anders. Aldi konzentriert sich auf das Wesentliche. Das steht auf der Website und als ich das las, fand ich das eine sehr gute Erklärung für mein aufrüttelndstes Einkaufserlebnis seit meinen Marktbesuch in Bamako (Mali, Afrika) vor etwa 10 Jahren. 
Schon beim Aufsuchen des Ladens fällt mir ein gewisser Minimalismus auf. Es gibt bei der Filiale in Thun zwei Leuchtreklamen, die auf die Präsenz des Geschäfts aufmerksam machen, eine an der Frutigenstrasse und eine an der Talackerstrasse. Der Laden befindet sich im Untergeschoss des Eckgebäudes, doch das ist auf keinem der Schilder vermerkt, so dass ich zuerst den Eingang suchen muss. Im Treppenhaus, das dann nach unten führt gibt es gerade mal einen Schaukasten in dem auf einem Plakat alle aktuellen Sonderangebote abgebildet sind. Ich gehe nach unten (es gibt keine Rolltreppe) und komme in einen Raum, den man als Atrium bezeichnen könnte. Es gibt von da den Zugang zum Laden und zu der Tiefgarage, in die man auch gleich reinblickt. Sie besteht aus einem Raum ohne Säulen mit ungewöhnlich hoher Decke, alles Weiss gestrichen und hell beleuchtet. Dann gibt es da auch noch die Wägelistation. Ich ignoriere sie und gehe ins Geschäft hinein, wo ich bemerke, dass das eben ein Fehler war. Denn es gibt keine weitere Möglichkeit, ein Wägeli zu bekommen, wenn man einmal drin ist und es gibt auch keine Einkaufschörbli. Nochmals raus, Wägeli (gross und ohne Kindersitz) holen, wieder rein. Aaaalsooo,... ich brauche... Ich beginne, mir die angebotenen Produkte anzusehen. Es gibt alles nur einmal. Eine Sorte Müesliriegel, eine Sorte Tiefkühlspinat, eine Sorte Orangensaft, eine Sorte Milch, eine Sorte Naturejoghurt. Die Preise sind nur einmal am Regal angeschrieben, dieses besteht aus nicht mehr als einer Rückwand und schlichten Regalböden. Gemüse und Früchte sind in den Kartonschachteln, in denen sie angeliefert wurden auf einem simplen Podest ausgestellt. Da es Abend ist gibts nur noch wenig Auswahl. Hier wir wohl bloss einmal am Tag aufgefüllt. Dies erklärt auch, warum es so wenig Personal gibt, das einem im Weg steht und genau dort auffüllt, wo man etwas aus dem Regal nehmen möchte, wie das im Migros zum Leidwesen aller sowieso schon gestressten Kunden an der Tagesordnung ist. Wie ich mich so im Laden umschaue, fällt mir auf, dass ich über sämtliche Regale hinwegblicken kann. Schon vom Eingang vorne rechts aus sehe ich zum Käsekühlregal hinten links. Es ist, als wäre ich auf Nahrungssuche in die Tundra geraten. Sonst fühlte ich mich beim Einkaufen in der Migros eher wie David Livingstone im kongolesischen Dschungel. Undurchdringliches Dickicht, hohe Bäume, gefährliche Tiere, fleischfressende Pflanzen und tödliche Krankheiten.
Ich sammle also meine Einkäufe ein. Und das Sammeln, das will betont sein, einer der lebenserhaltenden Urtriebe des Menschen, kann man hier noch richtig ausleben. Nicht wie in der Migros, wo man so eine Riesenauswahl hat und es ein Wunder ist, wenn man bei dem überdimensionierten Angebot nicht in die unüberwindbarsten Entschiedungsschwierigkeiten gerät. Ja sind wir ehrlich, in der Migros werden einem die Dinge ja beinahe hinterher geschmissen. Man denke schon nur an die prall mit irgendwelchen Güezi, Schoggi und Täfeli gefüllten Fächer zwischen den beiden Rolltreppengeländern, wie man sie in allen zweistöckigen Migrosfilialen findet. Wenn die Migros das Schlaraffenland ist, wo einem die gebratenen Täublein in den Mund fliegen, dann ist Aldi die Realität, wo vor dem kulinarischen Vergnügen noch die Arbeit kommt. 
Ich schaue mich also um. Plötzlich fällt mir auf, dass es weder Radiogesäusel noch Druchsagen gibt. Das ist ja immer der höchste Grad an Peinlichkeit in der Migros: "Es isch wider Winter. Für gnue Wermi giz iz blickdichti Damänäilenschtrümpf im Zänerpack für numä 14. 90 Frankä! Chömet cho luege i üserä Ungerwöschabteilig!", gesprochen von einer montonen männlichen Langweilerstimme, die versucht ansteckend zu wirken.  Im Aldi, aber, ist es still. Offensichtlich gehört das Antreiben der Kauflust bei den Kunden durch die kontinuierliche Berieselung mit Musik oder Werbedurchsagen auch zu dem Unwesentlichen, das es laut Aldi-Website wegzulassen gilt. Die monatlichen Billaggebühren von 18. 65 Franken für den kommerziellen Radioempfang Kategorie I (1-10 Geräte) mögen sie hier nicht aufwenden. Aldi ist eine Ruheoase im stressigen Alltag der berufstätigen unteren Mittelschicht. Die Migros ist im Vergleich dazu eine Turnhalle, wo die Einkaufenden im Rhythmus temporeicher Musik von Regal zu Regal flitzen und ein Trainer ihnen hinterherschreit: "Du musst noch in die Kosmetikabteilung, bevor alle anderen dir die 3 für 2-Shampoos für unschlagbare 6. 90 Franken weggeschnappt haben!" Das Drehtürchen am Eingang zur Ladenfläche ist der Startblock, die Ziellinie ist die Kasse, und wems noch nicht schnell genug geht, der kann ja noch an eine Expresskasse gehen, sofern er nicht mehr als vier Artikel zu bezahlen hat, also nur eine Kurzstrecke gelaufen ist und nicht einen Marathon, wie alle anderen. 
Ich habe alles was ich brauche und gehe an die Kasse. Plastiksäcke kann man hier nur kaufen. Es gibt nur eine Sorte. Ich bezahle und gehe entspannt nach Hause mit der Meinung, dass ich noch nie so effizient eingekauft habe wie heute. Eben nur das Wesentliche. 

Dienstag, 11. November 2008

Artikel Nr. 13 - Verdreh mir den Kopf


Ich habe wieder einmal eine grundlegende Antwort zu einer meiner immerbrennden Fragen gefunden. Die Frage, ob ich jemals eine echte Revolution erleben werde. Mir gefiele einfach die Vorstellung, Teil eines für die Menschheit bedeutenden Umschwungs zu sein. "Ich habe es erlebt und nun mach ich es anders, genau wie alle anderen." Das hätte irgendwie ein gemeinsamkeitstiftendes Moment. Es muss ein tolles Gefühl sein, wenn man sagen kann: "Ich war beim Berliner Mauerfall dabei." Doch schon hier treffen wir auf Schwierigkeiten. Oft ist man nur indirekt beteiligt. Zum Beispiel haben wir alle kürzlich die Wahl des ersten schwarzen US-Präsidenten erlebt. Doch war ich als aussenpolitisch passive Schweizerin wirklich dabei? Ein anderes Problem ist, dass sich Revolutionen meistens nicht Schlag auf Schlag ereignen. Man denke an die Erfindung des Buchdrucks. Wie lange hat es gedauert, bis diese Innovation ihre Wirkung vollumfänglich entfaltet hatte? Ich würde darum behaupten, dass sich meteoriteneinschlagsmässige Revolutionen nur dann ereignen können, wenn sich vorher eine Situation zum Unerträglichen zugespitzt hat, z. B. beim Fall der Berliner Mauer. Dann muss ich mich aber glücklich schätzen, dass ich dies nicht erlebt habe, denn ich glaube, dass dieses Erlebnis den zuvor erfahrenen Schaden nicht ausgleichen kann. 
Glücklicherweise bin ich aber auf einer skizzenhaften Zeitreise durch meine eigene Entwicklungsgeschichte auf etwas gestossen, was mein Verlangen nach dem Miterleben einer Revolution zu einem grossen Teil befriedigte. Dazu muss ich eine grobe Definition davon wagen, was ich als Revolution bezeichne. Es ist eine Untergrabung  von bisher befolgten Prinzipien, das plötzliche Auftauchen einer entgegengesetzten und dennoch funktionierenden Art und Weise etwas zu tun, zu sehen, zu denken, zu gestalten und auch eine Befreiung aus festgefahrenen Normen, die neue Möglichkeiten in Aussicht stellt. Zu abstrakt? Nun, was ich mit dem Begriff meiner eigenen Entwicklungsgeschichte auftun wollte war, dass ich besonders als neugieriges Kind viele Dinge als Revolution im vorher beschriebenen Sinne erfahren habe. Ein schönes Beispiel ist mein Erleben von Musik. Meine ersten Begegnungen mit improvisierter Musik unterschieden sich dermassen von dem was ich bisher kannte, klassische Musik meiner Eltern und Kinderlieder, die so und nicht anders zu tönen hatten, dass diese Erfahrung bei mir hocheuphorische Gefühle auslöste. Es war schier unglaublich, dass der Gitarrist jetzt plötzlich einfach so irgendetwas spielt, was ihm gerade in den Sinn kommt und dass es auch noch gut tönt! So begann auch ich mit Musik zu experimentieren.
Nun, was lernen wir daraus, respektive, was ist das Grundlegende, das ich daraus erkannt haben will? Es ist, dass Revolutionen in unseren Köpfen statt finden und sie deshalb auch ganz klein und persönlich sein können. Dies impliziert natürlich auch, dass wir Revolutionen erst nachträglich erfahren und auch als solche erleben können.
Ich möchte noch anfügen, dass der aufmerksame Leser meines Blogs hier wieder die smeagolische Tendenz meines Charakters erkannt haben kann, diesen Drang zur "Schatzsuche" der mich in meinem Alltag stets begleitet, mit dem Ziel, etwas zu finden, das meine Neugierde befriedigt, mir irgendwelche Vorteile bringt, oder mich glücklich macht. Bestimmt ist die Jagd nach Revolutionen eine Ausprägung davon. Ich will die Revolution, ich suche sie, denn ich hoffe darin ein Stück von Glück, Reichtum und Erfüllung zu finden. Bin ich die einzige?

Samstag, 18. Oktober 2008

Artikel Nr. 12 - Beziehungsmissklänge


Ich lebte seit ungefähr acht Jahren in einer Beziehung. Wir kannten uns schon von früher. Unsere seltenen Treffen hatte ich damals immer sehr vergnüglich empfunden. Wir begegneten uns später am Gymnasium wider. Da kamen wir auch zusammen. Es funktionierte wunderbar. Wir hatten viel Spass, haben viel unternommen, viele schöne Momente erlebt. Es gab auch kleinere Krisen, die wir aber jedes mal meisterten. Für uns war klar, dass wir nicht aufgeben würden wegen kleinen Problemen. Nach dem Gymnasium lebten wir unsere Beziehung locker weiter. Wir waren zwar offiziell zusammen, aber wir liessen einander genug Freiraum, um die Welt zu erkunden. Eifersucht war nie ein Thema. Dann begann das Studium und wir machten so weiter. Es schien gut zu gehen so. Im Sommer vor einem Jahr beschlossen wir aber in den Ferien, dass es an der Zeit war, näher zusammen zu rücken. Wir wollten eine Beziehung für die Zukunft aufbauen, Werte schaffen, Pläne schmieden und ausführen. Es war eine schöne Zeit voller Aufbruchstimmung, Mut, Leidenschaft, Nähe. Wir planten uns für immer zusammen zu schliessen. Machten dies offiziell im Mai. Es lief alles perfekt, wir passten einfach wie zwei Puzzleteile zusammen, hatten die gleichen Vorstellungen. Doch dann, ich weiss nicht, was mit ihm passiert war. Er fing an dauernd Dinge von mir zu fordern, ich sollte dies und das als seine zukünftige Frau. Ich merkte, wie ich abblockte, ich fing an ihm auszuweichen, verspürte oft Unlust ihm gegenüber. Als er auch noch mit der Idee kam, wir sollten unserer Liebe lebendige Taten folgen lassen und mich auf penetrante Weise dazu zu überreden versuchte, platzte mir der Kragen. Ich merkte, dazu bin ich nicht bereit, das will ich alles gar nicht. Ich will es so einfach, wie es war, als wir die Sache locker führten. Wir haben zusammen diskutiert. Ich sagte ihm, dass ich es unheimlich schade finden würde, wenn das Ganze nun einfach so den Bach runterginge. So viel Zeit und Kraft hatten wir da rein investiert. Er gestand dies auch ein. Mit viel Aufwand hätten wir es wieder hinbiegen können. Doch ich fragte mich, ob es dann wieder so wäre wie vorher. Und da hatte ich grosse Zweifel. Denn wir lebten beide nach dem Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip. Das hätte starke Kämpfe und grosse Kompromisse bedeutet. Nein, ich kam zum Schluss, dass es vermutlich besser wäre, wenn wir einen Schlussstrich ziehen würden. Auch wenn ich mich durchaus noch von ihm angezogen fühle, werde ich in Zukunft auf Distanz gehen. Freundschaft, ja das werde ich immer für ihn empfinden, aber ich bin nicht mehr bereit, von ihm beansprucht zu werden. Vielleicht ist es auch einfach ganz vorbei, wer weiss...? Tja, aber ich bin mir jetzt sicher: für immer passen wir nicht zusammen, ich und er, der Gesang.

Artikel Nr. 11 - Futuristische Seifenoper


Als ich kürzlich in der Juristischen Bibliothek sass und eigentlich lesen wollte, kam mir angesichts des unbekannten Terrains, auf dem ich mich befand, eine langvergessene Frage wieder in den Sinn: Was ist mit der Zukunft? Ich hatte mich das schon lange nicht mehr gefragt und ging ein bisschen auf Forschungstour in meiner Erinnerung. Als Kind stellte ich mir vor, wie wir im Jahr 2000 alle mit Lichtgeschwindigkeit in kleinen Flugmaschinen lautlos herumflögen, oder uns sogar von Ort zu Ort beamen könnten, wie wir Wissen in Pillen schluckten, Roboter unseren Haushalt machten und wie Pickel mit einer Impfung für immer zum Verschwinden gebracht würden. Kurz vor dem Jahrhundertwechsel kam dann der Millenniumhype und wir fürchteten uns, vielleicht weil wir das alles noch nicht erreicht hatten, die Welt könnte (endlich, gäu Uriella) untergehen, wenn wir ins neue Zeitalter übertraten. Vermutlich haben uns aber unsere anderen grossen technischen Errungenschaften wie das Internet oder die mobile Telefonie vor dem Verderben gerettet. Ehrlich gesagt, wir sind doch schon sehr weit gekommen in unserem Forschen und Weiterentwickeln und es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie es weitergehen könnte. Noch besser, schneller, kleiner, leichter? Wird es sogar noch Revolutionen geben? Wie ich mich also unter zukünftigen JuristInnen befand kam mir der Gedanke, dass sich ein Fortschritt in der Art von technischen Neuerungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Kunst oft nicht erkennen lässt. Den unmittelbaren Bezug zur Umwelt und den gewöhnlichen Menschen, der ursprünglich ihr Nährboden war, hat die Kunst schon lange verloren. Ein Kunstwerk hat heute nicht mehr wie zum Beispiel in frühchristlicher Zeit den Zweck, die Heiden zum Christentum zu bekehren, nein, es bezieht sich auf sich selbst, behandelt systemimmanente Probleme, verweist im besten Fall auf andere Kunst.

Wie eine Seifenblase, einmal durch den Ring geblasen, löst sie sich davon ab, schwebt, hält sich selbst und irgendwann...

Denn ist irgendwann nicht alles gesagt, gemalt, gebaut? Was dann? Glücklicherweise ist aber auch die Kunst was ihre Gattungen betrifft mit der Zeit mitgegangen. Die Entwicklungen der Technik macht sie sich zu Nutzen. Eine virtuelle Kunst ist entstanden, eine neue Realität, aus Strom und Zahlen. Die Materialität, unbeirrbare Zeugin der Wirklichkeit und Ursubstanz aller Kunst, ist überflüssig geworden. Ist das Fortschritt? Kommen wir Menschen aus Fleisch und Blut da noch mit? Wird unser Körper einmal hinfällig, der Geist befreit? Sind wir jemals nur noch Gedanke, Zahl, Impuls? Mit dieser Vorstellung spielt Second Life. Von Philip Rosedale Mitte der 90er Jahre entwickelt verbringen gewisse Freaks mittlerweile ihr ganzes reales Leben in dieser virtuellen Welt. Sie verdienen Geld, bauen sich ein Haus, heiraten, haben Kinder und führen ein ganz normales Leben in einer Welt, in der man eigentlich gar nicht leben kann. Sie vergessen plötzlich, dass sie menschliche Bedürfnisse wie Schlaf oder Hunger haben und verenden wie verirrte Wale am Strand; Wenn sie gemerkt haben, dass sie sich nicht mehr im richtigen Element befinden, ist es schon zu spät. Auch die virtuelle Realität scheint mir

wie eine Seifenblase, einmal durch den Ring geblasen, löst sie sich davon ab, schwebt, hält sich selbst und irgendwann...

Das kann also nicht die Zukunft der Menschheit sein, wenn wir den Fortbestand unserer Gattung sichern wollen, auch in Anbetracht der drohenden Umweltverschmutzung. Vielleicht sollten wir es mit etwas anderem versuchen. Wir müssen die Orientierungslosigkeit unserer Generation eindämmen, endlich wieder eine Lebensform finden, die vorbehaltlos funktioniert. Wir sollten uns angemessene Lebensräume schaffen und das in der materiellen Wirklichkeit. Als ich die juristische Bibliothek verliess war ich noch total in Gedanken darüber versunken, wie wir das anstellen müssten. Im Bahnhof wurde mir dann ein Heft in die Hand gedrückt. Nein, diesmal versuchten nicht die Zeugen Jehovas mein Leben zu verändern, sondern die Stadt Bern. "Eröffnung Westside" stand vorne drauf. Yes, das Raumschiff ist gelandet! Tritt ein, hier kannst du dein Leben verbringen. Es gibt hier alles, was man braucht: Läden für Kleider, Lebensmittel, Luxusgüter, Restaurants, Banken, ein Hotel, ein Altersheim, eine Tankstelle, ein Hallenbad, Kinos, und und und. Das muss mein neuer Lebensraum sein! Eine autarke künstliche Biosphäre. Und plötzlich habe ich eine Vision von der Zukunft: die Menschheit versammelt sich im Westside in Bern. Die Triebwerke werden gestartet und das gesamte Einkaufszentrum inklusive landwirtschaftlichen Nutzflächen hebt mit einem lauten Brummen von der Erdoberfläche ab und trägt uns aus der Atmosphäre ins unendliche Universum hinaus. Doch ist das nicht auch irgendwie

wie eine Seifenblase, einmal durch den Ring geblasen, löst sie sich davon ab, schwebt, hält sich selbst und irgendwann...

Freitag, 12. September 2008

Artikel Nr. 10 - Um-ziehn! Aus-ziehn!














Sollte das eine Prüfung sein? Warum muss ich ausgerechnet in der schwungvollsten Phase meines Lebens auch noch von zu Hause ausziehen? Man glaubt kaum, wie hart man auf den Boden der Tatsachen geworfen wird, wenn man es wagt, in seinem Leben eine so radikale Änderung vorzunehmen, wie eben zum Beispiel fortan seinen Alltag alleine zu bewältigen, für das Funktionieren des Haushalts die Verantwortung voll und ganz zu übernehmen. Ich hab damit sowas wie Seelenstriptease vor mir selbst gemacht. Ich habs bis zum Nullpunkt geschafft, bis zu dem Punkt, wo man nichts mehr hat ausser sich selbst und den Moment, in dem man sich gerade befindet, die pure Gegenwart und dies komplett schutzlos. Das heisst, ich war gezwungen zu handeln und wenn ich es nicht getan hätte, dann wäre alles drunter und drüber gegangen. Nun hat mich das Leben zwar wieder in seinen ihm eigenen alltäglichen Sog aufgenommen, aber ich bin immer noch am Handeln, kann nicht zurück, muss. 
Der Schwung in meiner momentanen Lebensphase kommt unter anderem auch von meiner Aufnahme in den Vorkurs an der Jazzschule in Bern zu tun. Darum drehen sich die meisten der letzten Entwicklungen in meinem Leben. Entgegen meiner Erwartung aber, dass ich mich dort so richtig pudelwohl fühlen würde, habe ich mich auch einen Monat nach Beginn noch nicht so richtig eingelebt. Um etwas Klarheit zu schaffen will ich hier eine zum Thema dieses Eintrags passende Metapher einfügen: Ich bin sozusagen aus meiner Eigenbrödler-Egosängerinnen-Höhle umgezogen in das Professionelle-Musiker-Internat. Will heissen, ich muss jetzt so, wie es mir von aussen diktiert wird, genauso wie ich jetzt den Haushalt selbst machen muss, weil es das alltägliche Leben so will. Und genauso wie es im Moment noch hapert mit dem organisierten Haushalt (oder auch dem organisierten Blogeintragschreiben) wo jeder weiss wann und was er zu tun hat, so will es auch noch nicht ganz mit dem Einordnen in diesem musikalischen Trainingslager. 
Und zudem fühlt es sich an wie unfreiwilliger Seelenstriptease, wenn meine neue Gesangslehrerin sich drei Lektionen Zeit nimmt um mich "kennen zu lernen", mich "z gschpürä" und mir dann sagt, was meine Probleme sind. Sie meinte, mein Kopf sei mir im Weg, stehe im Prinzip zwischen Gefühl und Stimme. Ich fühlte mich ertappt, weil mein Kopf durchwegs meine Gefühle behindert. 
Ja, in neuen Situationen lernt man sich selbst wohl am Besten kennen, dann,  wenn andere Leute oder das Leben selbst einem den Spiegel vorhalten. Leider werden beim Auftauchen dieses Phänomens viele Fragen aufgeworfen, die man weder schnell beantworten, noch leicht verdrängen kann. Fragen nach Sinn, Wille, Nutzen und den alltäglichen Träumen. Und danach, ob das alles eine Prüfung ist.

Freitag, 15. August 2008

Artikel Nr. 9 - Magnüm


Gopf! Schon wieder reingefallen! Und zwar bei einer ziemlich sicheren Nummer: Bei einer Glace. Hab ich die neue Magnum Temptation noch als träfes Bildli bei meinem sechsten Artikel hinzugefügt und mir ins Fäustchen gelacht über all die, welche sich so ein Glässeli mit ernsthaften grossen Erwartungen zu Gemüte führen. Ja, ihr habts erraten. Ich hab auch eins gschläcket. Und insgeheim war meine Hoffnung auch, demütig geb ichs zu, dass die Glace nicht nur gut, sondern ein nochniedagewesenes Geschmackserlebnis ist. Jaaah, es war nicht so! Hackt doch auf mir rum wegen meiner trieblichen Dummheit! Scheisse, ich vergrab mich und komme nie mehr aus meinem Versteck hervor. I Magnüm! Ach, die Verpackung sieht wirklich verlockend aus: ein Kartonschachteli in edelstem Braun und Gold. Ein Siegel verschliesst den Deckel. Reisst man es auf, so springt letzterer auf und es werden einem die ausgewählten Zutaten präsentiert: Vanille aus Madagaskar, Schokolade aus Belgien und Mandeln aus Kalifornien (PS: Nicht USA, nein, Kalifornien! Pff!). Fehlt nur noch der Soundtrack irgendwo zwischen Kuschelelektro und Disneykitsch. Im Innern dann, welches uns in strahlendem Gold erscheint, gebettet auf einem braunen Schoggiwellenpapierli liegt ES. Das Eis-am-Stiel, das uns verführen soll. Wie ich es herausnehme will ich nur eins: seine sinnlichen Rundungen mit meinen Lippen und meiner Zunge erkunden. Ich will es - ESSEN!
Ja, den Rest könnt ihr euch  selbst ausmalen. Es war einfach ein Vanilleeis mit Schoggi rundherum und Mandeln und Caramel drin. Ich will nicht sagen, dass uns die Unilever bescheissen will, aber sie spielt doch sehr unfair mit unseren Gefühlen! Ich schreibe dies mit Tränen in den Augen. Ich halte es nicht mehr aus! Die Natur gewinnt immer über meine Moral und Sittlichkeit. I Magnüm! 
Ich fühle mich verarscht, meine Neugierde und Abenteuerlustigkeit, die mich doch schon so weit gebracht haben im Leben, werden skrupellos gelockt und dann blossgestellt. Womit hab ich das verdient??? Ich hasse Glace! Ich hasse Magnum! Ich hasse die Unilever! Ich hasse die Natur! Ich hasse die Welt! Euch alle!!!

Dienstag, 29. Juli 2008

Artikel Nr. 8 - Lebe deinen Traum - aber welchen?


Es ist mir in letzter Zeit aufgefallen, dass es möglich wäre, dass aus mir etwas ganz anderes geworden wäre, als es jetzt danach aussieht. In jedem Leben gibt es Momente, wo man eine Entscheidung fällt, oder eine Entscheidung für einen gemacht wird, welche dann auf die Zukunft eine prägende Wirkung hat. Beginnen wir am Anfang, respektive ungefähr da, wo ich in der Lage war, selbst Entscheidungen zu treffen. 
Ich wollte mit etwa vier Jahren gerne Ballett tanzen. Meine Eltern brachten mich also in einen Ballettkurs. Wenn dieses Unternehmen nun erfolgreich gewesen wäre, dann würde ich vielleicht heute noch Ballett tanzen  oder einen anderen Stil, vielleicht mehrere, ausüben. Ich wäre sehr sportlich und würde mich um eine professionelle Tanzausbildung bemühen. Oder das Tanzen wäre mein liebstes Hobby. Nun ist es aber nicht so gekommen. Nach der ersten Lektion hatte die Ballettlehrerin irgendwie genug und die Leitung des Kurses ging an eine andere Tanzlehrerin über, welche ihre Schüler aber nicht wahnsinnig gut im Griff hatte und ich deshalb wöchentlich einmal mit einer Gruppe wilder Kinder das Chaos zelebrierte. Gut. Weiter in meinem Leben. Ich hatte während meiner Schulzeit immer wieder ändernde Berufswünsche: Kindergärtnerin, Zahnärztin, Architektin, Papiertechnologin, Polizistin, Psychologin und irgendwann wollte ich Damenschneiderin werden. Dies hätte sehr gut passieren können, denn es war meine Alternative zum Gymnasium. Hätte ich also die Gymeraufnahmeprüfung nicht geschafft, wäre es wohl soweit gekommen. Ich plante, nach der Lehre an eine Designfachhochschule zu gehen und Modedesignerin zu werden. Womöglich wäre ich nun an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich und studierte Design. Möglich wäre es. Ich zweifle nicht an meinen grundlegenden Fähigkeiten, wenn ich sie früh genug in diese Richtung ausgebildet hätte. Aber eben, ich setzte meine schulische Laufbahn am Gymer Seefeld fort. Die nächste Entscheidung war das Schwerpunktfach. Bildnerisches Gestalten oder Musik. Beides interessierte mich etwa gleich stark. Ich entschied mich für Musik, da ich erst seit kurzem die Freude am Singen entdeckt hatte und mich die Möglichkeit lockte, gratis Gesangsunterricht zu erhalten. Bevor wir hier aber weitermachen, nochmals zurück zum Bildnerischen Gestalten. Hätte ich damals in den Tagen meiner Entscheidung zum Beispiel eine interessante Begegnung mit der bildenden Kunst gehabt, wäre die Wahl womöglich auf diesen Schwerpunkt gefallen. Und hätte ich BG gemacht, hätte mich mein Weg an viele verschiedene Orte hinführen können. Zum Beispiel trotzdem in den textilen Bereich, mein Interesse daran war ja noch recht frisch in dem Moment. Oder, wie später passiert, zum Kunstgeschichtsstudium. Oder ich hätte eine andere künstlerische Laufbahn eingeschlagen und an der HGKZ (Die dient mir jetzt als Ideendepot. Dort könnte man übrigens auch Tanz studieren...) ein gestalterisches Studium angefangen. So kam es aber nicht. Ich entschied mich für die Musik und begann intensiv zu Singen. Zunächst interessierte mich ein Studium des klassischen Gesangs. Eine Dozentin der Hochschule der Künste Bern riet mir aber bei einem Vorsingen davon ab. "Versuchs doch vielleicht an der Jazzschule", meinte sie. "Nie im Leben!", dachte ich. Jazz war mir fremd wie die Urbevölkerung des brasilianischen Urwalds. Naja, ich entwickelte schon bald andere Pläne. Am Ende des Gymers wollte ich nach Wädenswil am Zürichsee gehen und dort Facility Management (Betriebswirtschaft) studieren. Mich faszinierte die Vielseitigkeit, die das Studium und die späteren Tätigkeiten versprachen, welche sich alle im hauswirtschaftlichen Bereich bewegen. Allerdings musste ich nach drei Monaten als Tellerwäscherin in einem Restaurant feststellen, dass ich das Haushalten wohl besser als Hobby weiterführe. Es war mir zu wenig kreativ und zu körperlich anstrengend, sich dauernd mit Haushaltsgegenständen, der Instandhaltung von Geräten und Gebäuden und hauswirtschaftlichen Abläufen zu beschäftigen. Ich ging also für drei Monate nach England um ein bisschen zu verlüften, ohne grosse Vorstellung von der Gestaltung meiner nahen Zukunft. Als ich zurück kam, machte ich ein Praktikum beim Thuner Tagblatt und konnte es mir gut vorstellen, später mal als Journalistin zu arbeiten. Dafür musste ich aber sehr wohl ein Studium hinlegen und ich entschied mich eines schönen Frühlingstages im Jahr 2006, mehr oder weniger aus heiterem Himmel, zum Studium der Kunstgeschichte und der Germanistik. Zu Beginn des Studiums hatte ich aber immer noch keine Ahnung, was ich später mal damit anfangen wollte. Zumindest aber wollte ich nicht mein ganzes Leben an der Uni verbringen. Es kam aber im Sommer 2007 soweit, dass ich mich entschied, es doch noch mit dem Singen zu versuchen. Und diesmal nicht mit Klassik, sondern, o welcher Sinneswandel, mit Jazz, welcher mir in der Zwischenzeit ans Herz gewachsen war. Innerhalb von wenigen Wochen meldete ich mich am Konservatorium Bern zum Jazzgesangsunterricht an, ein paar Monate darauf sang ich in einer Band an der Thuner Musikschule. Meine Anstrengungen wurden schon bald mit erfolgreichen Auftritten und positiver Resonanz belohnt und ich schaffte schliesslich auch die Aufnahmeprüfung für den Vorkurs der Jazzschule, welcher nun in wenigen Wochen beginnt. Der Weg für die Zukunft als Sängerin scheint an diesem Punkt geebnet zu sein. Doch letztlich beschlichen mich ein paar Zweifel. Ich war nämlich auf einer Exkursion mit den Kunstgeschichtlern. Trotz anstrengendem 11-tägigem Programm riss meine Begeisterung für das Thema nicht ab und der Professor meinte sogar ganz vertraulich, ich mache das ja schon ganz gut, besonders in Anbetracht meiner doch erst recht kurzen Studienzeit von zwei Jahren. Vor einer Woche war ich dann noch an einer Besprechung mit einem meiner Dozenten, dem ich von meine musikalischen Plänen erzählte. Er meinte, er fände es sehr schade, wenn ich aufhören würde mit der Kunstgeschichte, ich sei ja so talentiert. Na toll. Und jetzt? Im Moment weiss ich nicht, wofür ich mich in gut einem Jahr nun definitiv entscheiden werde. Klar ist aber, wenn ich weiter studiere, dann will ich an der Uni forschen. Das hatte ich interessanterweise zu Beginn meines Studiums, wie breits erwähnt, nicht im Sinn. (Bemerken möchte ich aber an dieser Stelle, dass mich das Forschen und Entdecken schon in der Kindheit sehr gereizt hat. Hier schlägt sich auch wieder eine Brücke zum Smeagol in mir. Siehe Artikel Nr. 4.)
Aus Erfahrung, wie sich gezeigt hat, möchte ich mich jetzt aber nicht weiter aus dem Fenster lehnen und irgendwelche Prognosen über den tatsächlichen Ausgang meines Dilemmas anstellen. Fakt ist aber, dass es zwar schön klingt, viele Talente und die Wahl zu haben, es ist aber auch sehr anstrengend, dauernd zwischen seinen vielen Interessen und Möglichkeiten hin und her gerissen zu sein. Man kann nicht mehr als etwas zu hundert Prozent tun und wollen. Aber ebenfalls aus Erfahrung sage ich, dass sich dies alles schon irgendwie von selbst entscheiden wird, wenn die Zeit reif ist. In der Zwischenzeit träume ich halt doppelt: Von akademischer Ehre und künstlerischem Ruhm.

Mittwoch, 16. Juli 2008

Artikel Nr. 7 . Der Anti-Knigge für Servierdüsen



Oder: Was würde dich als Gast in einem Restaurant am meisten empören? Ein paar Vorschläge. Bitte bildlich vorstellen.



  1. Z Frölein putzt die Sitzflächen der Stühle und Bänke und bittet dich aufzustehen, während dem du noch am Essen bist.
  2. Z Frölein räumt deinen Teller ohne zu fragen ab, nach dem du gerade eben erst den ersten Bissen genommen hast.
  3. Z Frölein macht den Vorkoster und benützt dafür dein Geschirr und Besteck, ohne es zu ersetzen.
  4. Z Frölein findet beim Vorkosten dein Rindsentercôte so gut, dass es nochmals ein grosses Stück davon für sich abschneidet.
  5. Z Frölein hinterlässt auf deinem Weinglas einen Lippenstiftrand.
  6. Z Frölein wischt dir mit angefeuchtetem Finger einen Fleck Tomatensosse von der Wange.
  7. Z Frölein schwauderet beim Servieren und wischt danach von Hand die Spaghetti Bolognese über den Tischrand zurück auf deinem Teller.
  8. Z Frölein stibitzt im Vorbeigehen das Biskuit von deiner Glace und grinst und kichert dabei wie ein frecher Gof.
  9. Z Frölein rät dir von einem Dessert ab, da du so dick bist.
  10. Z Frölein möchte gerne in die Zimmerstunde und bittet dich unverfroren, doch ein bisschen schneller zu essen, damit es nachher abräumen und einkassieren kann.
  11. Z Frölein fragt nach mehr Trinkgeld. Etwas zweistelliges fände es angemessen, wo du doch einen Kaffee getrunken hast!
  12. Z Frölein entdeckt in deinem Portemonnaie Fotos von deinen Nichten und Neffen, als du dein Geld herauskramst. Es reisst dir das Portemonnaie aus den Fingern und meint laut: "Iiih, di xe ja hönnä tumm us!"
  13. Z Frölein leckt nach dem Einschenken die herabrinnenden Weintropfen vom Flaschenhals.
  14. Z Frölein serviert mit brennender Zigarrette im Mundwinkel und drückt diese auf deinem Tellerrand aus, wo es sie auch liegen lässt.
  15. Z Frölein macht einen sexistischen Witz und findet, dass in deinem Ausschnitt mehr Fleisch ist, als in deinem Teller.
  16. Z Frölein bringt das verlangte Ketchup und spritzt dir ohne dich zu Fragen davon über den ganzen Teller.
  17. Z Frölein ermuntert dich, nachdem du fertig gegessen hast, zu rülpsen und bietet an, dich auf die Toilette zu begleiten.
  18. Z Frölein missbilligt deine Bestellung und äussert seine Meinung frei: "Wäh, Bluetwürscht! Ds isch doch so zum chotzä!"
  19. Z Frölein versucht mit Gewalt, dir die Essensreste, die du auf dem Teller gelassen hast, in den Mund zu stopfen, denn es findet, Essen wegwerfen sei eine unmoralische Vergeudung.
  20. Z Frölein sagt dir, dass deine Frisur scheisse sei und wuschelt dir in den Haaren herum, angeblich zur Verbesserung.
Genug gehabt? Flüchtest du endlich aus dem Restaurant? Wart nur, vielleicht erwisch ich dich mal woanders...!

Freitag, 11. Juli 2008

Artikel Nr. 6 - Und führe uns nicht in Versuchung


Ich habs doch getan. Ich konnte einfach nicht anders. Ich hab vorgestern Morgen das Spielzeug aus der Kelloggspackung gefischt. Natürlich war es wieder mal nur irgendso ein Scheiss. Den grössten Spass damit hatte ich noch mit dem Zusammensetzen und Küderen. Funktionieren tuts nicht und so fläschig wie auf der Packung siehts auch nur in den Träumen von einfältigen Modellflugzeugfanatikern aus. Tja, manchmal ist die Versuchung gross und man denkt, entgegen den bisherigen Erfahrungen oder den Verboten und Gesetzen der Gesellschaft oder wem auch immer, man könnte doch eigentlich davon profitieren, wenn man nachgibt. Und wenn man dann nachgegeben hat, dann hat man eben dann doch den Salat. Das war schon bei Adam und Eva so. Frucht vom Baum der Versuchung gschnouset und gedacht, sie würden dann klug und könnten selbst über sich bestimmen und schwups, schon landen sie vor den Toren des Paradieses im Dreck. Die Enttäuschung ist gross und ebenso die Wut über sich selbst. Hätte man doch nicht...! Ich weiss aber, wo man nur gewinnen kann, wenn man der Versuchung widersteht. Man geht ins Restaurant und nimmt die Dessertkarte. Man weidet seine Augen an den frostig-fruchtigen Auen des Glaceparadieses und pickt einen riesigen Coupe heraus. Mit Schoggisosse, frischen Früchten, Rahmglace, Mandelkrokant, Schnaps, Sorbet oder weiss der Gugger was. Hier wird man ganz sicher nicht enttäuscht. 

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern ins Restaurant!

Freitag, 4. Juli 2008

Artikel Nr.5 - Fühl dich wie zu Hause!


Hat das schon mal jemand zu dir gesagt? "Fühl dich wie zu Hause. Wenn du was brauchst, dann nimm es einfach." Wie nett. Doch überlegen sich die Leute eigentlich, welche schwerwiegenden Folgen dieses Angebot haben könnte? Die wissen ja nicht, was ich bei mir zu Hause alles mache! Ich bin mir totensicher, sie würden sich ihre Worte und sich selbst hinter Schloss und Riegel wünschen, wenn sie sähen, wie ich mich bei ihnen zu Hause füdleblutt vor den Fernseher setze, einen Champagner aus ihrem Kühlschrank direkt ab Flasche trinke und nach jedem grossen Schluck genüsslich und lange rülpse, so dass die Bilder an den Wänden in Schieflage geraten. Und was würden sie sich über ihre eigene Freundlichkeit ärgern, wenn sie bemerkten, dass ich beim Öffnen der Flasche auf ihren teuren Muranoglas-Güggu gezielt habe und dieser beim Zerschlagen auf dem Boden die Katze aufgeschreckt hat, welche nicht anders konnte, als über die Scherben zu flüchten. Die Blutspuren sehen super aus auf dem schneeweissen Flokatiteppich und wie bei "Wohnen nach Wunsch" wiederholt sich das Muster auf der Bettwäsche im Elternschlafzimmer. Um ihr zu Hilfe zu eilen, jage ich der Katze hinterher. Sie klettert an den Brokatvorhängen hoch auf das leider unstabile Buffet, welches auch liegend im Esszimmer, unter sich den Mahagonyesstisch begraben, ganz hübsch ausschaut und ein gutes Grab für das Meissner Porzellan von der Urgrossmutter abgibt. Als ich die Katze endlich eingefangen habe, versuche ich das Blut in ihrem langen weissen Fell mit dem erstbesten, was mir in die Finger kommt, auszuwaschen. Kernseife verwenden auch Leute, die sich gerne ihre Haare zu Dreadlocks verfilzen lassen wollen. Ich muss die Katze rasieren. Als mir der Rasierapparat vor lauter Seife aus der Hand flutscht und ins Klo fällt, erleide ich beim Herausfischen des Gerätes einen elektrischen Schlag. Ich verheddere mich durch den Schock nach hinten geschleudert im Duschvorhang und bleibe dann tot über dem Badewannenrand hängen. Die Gastgeber freuen sich über ein zerstörtes Heim inklusive nackter Leiche und schwer verletztem und entstelltem Haustier.

"Fühl dich wie zu Hause!" Das ist doch fahrlässig! Jetzt weiss ich, warum mir all zu nette Menschen immer so unheimlich sind. Ihre Opferbereitschaft bietet den besten Nährboden für die hemmungslose Entfaltung menschlicher Triebe und die Kultivierung von gefährlicher Dummheit! Aber ich habe vorgesorgt. Für den Fall, dass das nächste Mal jemand diesen Satz zu mir sagt, habe ich mir in einer psychiatrischen Klinik ein entsprechendes Zimmer reservieren lassen. Per Knopfdruck auf ein Gerät, welches ich nun ständig am Handgelenk trage, wird ein Alarm ausgelöst und eine Spezialeinheit der Schweizer Armee evakuiert das Gebäude, in dem ich mich befinde und bringt mich an den einzig sicheren Ort, den es dann noch für mich gibt: Die Gummizelle. Das ist mein zu Hause!

Donnerstag, 3. Juli 2008

Artikel Nr. 4 - Schatzsuche oder der Smeagol in mir


Ich hab mich heute morgen beim Frühstückzubereiten dabei ertappt, wie ich ganz erpicht darauf war, das kleine Überraschungsdingsbums in der Kelloggspackung zu finden. Pah, war dieser Drang stark! Mit Müh und Not konnte ich mich dazu durchringen, es sein zu lassen und, entgegen meiner Vorstellung von einem gesunden Zmorge, diese süssen Industrie-"Flocken" zu geniessen ohne ein nutzloses Spielzeug zu fingerlen. Es würde mich interessieren, ob andere Leute auch hie und da davon träumen, eines Tages einen Schatz zu heben. Ich glaube, bei mir bestimmt dieser Trieb zu einem beachtlichen Teil den Alltag. Sitze ich vor dem Fernseher, so suche ich verbissen nach einer Sendung, die mir etwas total Neues zeigt, was ich noch nicht weiss und wovon ich, im Endeffekt vielleicht tatsächlich auch finanziell profitieren könnte. Ich träume auch schon seit langem davon, an einem heissen Sommertag mit einem Spaten in ein Erdhügelchen zu stechen und dann ein holzig-hohles Klopfen zu vernehmen, worauf ich tiefer buddle und eine alte Truhe mit einem Silberschatz ans Tageslicht fördere. Wird wahrscheinlich nie passieren. Ich besitze keinen Spaten und interessiere mich in meiner Freizeit nicht für verdächtig aussehende Bodenerhebungen. Aber interessant ist es schon, dass man solche Träumchen hegt. Hab letztens ein Lied darüber geschrieben, noch bevor ich mir über diesen meinen Charakterzug Gedanken gemacht habe. Ein Unterbewusstseinsphänomen sozusagen. 

"I found something in the attic. 
It is rusty and dusty and old. 
And when I carefully opened its lid, 
I found heaps of pure gold. 
It is mine, mine, mine, mine, mine!"

Das Bild zeigt mich mit etwa 10 Jahren im Tresorraum einer Bank ein Kilo Gold in den Händen haltend.

Mittwoch, 2. Juli 2008

Artikel Nr. 2 - Sieh die Welt mit einem anderen Gehirn


Man lasse ein Schüsselchen spiralförmige Teigwaren erkalten, so dass alles zusammenklebt, stürze das Schüsselchen auf einen festen Untergrund, schneide es in der Mitte durch und schiebe die zwei Teile etwa einen Zentimeter auseinander. Resultat: sieht aus wie ein Hirni.
Sowas nenn ich Materialbeherrschung und Abstraktionsvermögen.
Verständnis: Mit dem Essen spielt man nicht, Menschen isst man nicht, beim Essen spricht man nicht von Gruusigem. Befremdnis, Gefühlskälte, Galgenhumor, Spielfreude, Trivialisierung. Vielleicht erschrickt ein Gesitteter, dass er in banal-anständigen Teigwaren so etwas Körperlich-Makaberes wie ein Gehirn erkennt. Ertappt! Vom eigenen Gehirn überlistet. Umso gruusiger...

Katja Richter 
From the series "Ein Auge für dein Auge", 2005 ("An Eye for Your Eye") 
C-print on aluminium, 66 x 48,5 cm

Artikel Nr. 1 - Muss ich mich erklären?

Und wenn man manchmal zwischendurch, beim Busfahren, beim Wässerlä (Ich käfälä nicht. Mag keinen Kaffee.), beim auf den Zug warten, beim von der Vorlesung abschweifen, beim Putzen, oder in weiss-nicht-was-für-einer-ordinären-Situation irgend einen Gedankenstrang hat, der sehr fruchtbar und interessant zu sein scheint, dann würde man ihn oft gerne festhalten, weil er einem so weise erscheint. Oder gerade weil er so unweise und drum so frei ist. Oder weil er nur eine allgemeingültige Feststellung über etwas ist, das sich oft im Verborgenen hält. Gründe gibts jedenfalls genug, seinen Seich und Chäs aus dem Alltag gerne irgendwo zum Ausdruck zu bringen. Der Reiz, dass es jemand lesen könnte, also der Auslöser dafür, einen öffentlichen Blog und kein persönliches Tagebuch zu diesem Zweck zu benützen, ist wohl eine gewisse Exzentrik oder ein Faible für geistigen Exhibitionismus.  Das ist wohl schon alles, was mich dazu bewegt hat diesen Blog zu eröffnen. Aber eben - um mich selbst beim Schreiben und andere beim Lesen nicht zu langweilen - wer hat denn gesagt, dass ich mich erklären muss?
Grundsätzlich wird sich das Ganze monoglogisch gestalten. Logisch, oder? Kommentare sind aber genau so willkommen, wie der Regen, nachdem man den Garten eben bewässert hat.

Eine Erklärung möchte ich aber dennoch abliefern. Aber nicht zu mir sondern zum Titel meines Blogs. Falls er sich nicht schon von selbst erklärt. A) Ich sinne im Netz über gewisse Dinge nach. B) Ich tu dies über Dinge, die sich im Verlauf des Tages im Netz meiner Sinne verfangen haben. C) Es ist ein Wortspiel. Alles klar?